Ringener Pfadfinder begegnen Flüchtlingen in der Erstaufnahmeeinrichtung im AKNZ

 

Das Thema Bewältigung der Flüchtlingsproblematik ist in allen Medien beherrschendes Thema. Auch in den Gruppenstunden der Ringener Pfadfinder des Stammes Galileo Galilei wurde viel über dieses Thema gesprochen. Vor allem die Menschen und ihre Schicksale standen dabei im Vordergrund. Schnell kam das Gespräch auf die Erstaufnahmeeinrichtung für Flüchtlinge, die auf dem Gelände der „Akademie für Krisenmanagement, Notfallplanung und Zivilschutz (AKNZ)“ in Bad Neuenahr/Ahrweiler eingerichtet ist.

 

Neben dem Wunsch, irgendwie helfen zu wollen, war auch eine Unsicherheit zu spüren, ob man mit diesen  Fremden mit ihren anderen Sprachen, Kulturen und Wertvorstellungen überhaupt unmittelbar in Kontakt kommen könne und wolle. Letztlich war der Drang größer, ihnen dadurch helfen zu wollen, dass man sich einen ganzen Tag im Spiel und Gespräch begegnet. Begegnung ist die einzige Möglichkeit, sich unmittelbar ein eigenes Bild von diesen Menschen zu machen, das nicht durch Geschichten und Gerüchte „von außen“ vorgeprägt oder gar verfälscht ist.

 

Am Samstag, dem 27.02.2016, war der große Tag. Der Plan war, über das gemeinsame Spielen zu einer Nähe, zu einem Miteinander zu kommen. Alles war im Vorfeld organisiert: Die Begegnung war genehmigt, wurde von örtlichen Kräften des DRK und Dolmetschern begleitet, ein Spielmobil war geordert und Waffelteig und Waffeleisen warteten auf ihren Einsatz. So trafen sich am Morgen 24 Pfadfinder aller Altersklassen am Eingang des AKNZ, vom Wölfling (8 Jahre) bis hin zum erwachsenen Gruppenleiter. Die Aufregung war groß. Würde alles wie geplant funktionieren? Würden die vorbereiteten Spiele angenommen? Wie wird die Kommunikation klappen? Aber es war auch eine große Neugier zu verspüren und die Bereitschaft, offen aufeinander zu zu gehen und die Dinge so zu nehmen und zu meistern, wie sie sich entwickeln würden.

 

Auch den knapp 200 Flüchtlingen, die zu dieser Zeit dort untergebracht waren, war die Aktion angekündigt worden. Dort war die Spannung und Neugier sicher genau so groß wie auf Pfadfinderseite. Dies war in dem großen Speisesaal, in dem die beiden Gruppen erstmals zusammen kamen, deutlich zu spüren. Aber – um es vorweg zu nehmen – auch hier war die Bereitschaft, sich auf dieses Abenteuer einzulassen, sehr groß. Das Vormittagsprogramm bestand darin, gemeinsam das Spielangebot aus dem Spielmobil zu erkunden und auszuprobieren. Erwartungsgemäß hatten die jüngeren Kinder zunächst am wenigsten Berührungsängste. Es wurde mit Bällen aller Art gespielt, Seil gesprungen, Hula-Hupp-Reifen um die Hüften geschwungen, sich auf Stelzen und Pedalos fortbewegt und mit Keulen und Tüchern jongliert. Sehr beliebt waren auch die großen Legosteine, mit denen die verschiedensten Bauwerke errichtet wurden.

 

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Immer mehr Menschen, die zunächst nur zugeschaut hatten, wurden von der Spielfreude erfasst und machten mit. Auf dem großen Platz war schließlich ein buntes Treiben, ein konzentriertes Gewusel, ein freudiges Miteinander zu sehen. Um auch die älteren Jugendlichen und Erwachsenen anzusprechen, wurde das Spiel Wikinger Schach aufgebaut und erklärt. Schnell hatten alle die sehr einfachen Regeln verstanden und spielten mit einer Begeisterung, die viele noch Unentschlossene anlockte. Bald hatte sich eine begeistert mitgehende und anfeuernde Zuschauertraube um das Spielfeld gebildet. Nach etlichen immer spannenderen Spielrunden waren alle fast schon enttäuscht, als ein Signal zum gemeinsamen Mittagessen rief.

 

Die Mittagszeit wurde aber nicht nur zum Essen genutzt. Es war im Vorfeld ausdrücklich vereinbart, dass die Zeit auch dem gegenseitigen besseren Kennenlernen dienen sollte. Die älteren Pfadfinder hatten erstmals die Möglichkeit mit jungen Flüchtlingen über deren persönliches Schicksal und die Umstände ihrer Flucht zu sprechen. Die intensiven Gespräche haben bei den Jugendlichen beiderseits bleibende Eindrücke hinterlassen.

 

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Nach diesem Einschub ging es spielerisch weiter. Es war ein großes Gruppenspiel vorbereitet, das alle gleichzeitig mitmachen konnten: Das Chaos-Spiel. Alle Teilnehmer bildeten gemischte Gruppen, in denen Groß und Klein, sowie Flüchtlinge und Pfadfinder enthalten sein sollten. Diese Gruppen mussten auf dem Gelände verteilte Karten in einer vorgegebenen Reihenfolge finden und gemeinsam verschiedene Aufgaben erfüllen. Hierbei kam den Gruppen oft die am Vormittag gemachte Erfahrung mit den Spielen aus dem Spielmobil zu Gute. Alle Gruppen waren mit Freude und Begeisterung dabei und schnell entwickelte sich wieder das emsige Gewusel wie am Vormittag. Durch das gemeinsame Spiel verwischten die Nationalitäten. Es wurde gestikuliert, gezeigt, nachgemacht, englisch geradebrecht. Alle waren ein Team, das gemeinsam nur ein Ziel hatte, nämlich die Aufgaben schnellst- und bestmöglich zu erledigen.

 

Die Zeit verging wie im Flug und so wurde die Spielfreude jäh unterbrochen, als sich alle wieder im Speisesaal einfinden sollten. Beim gemeinsamen Verzehr leckerer Waffeln entwickelte sich ein weiterer Erfahrungsaustausch. Der Unterschied zur Mittagsrunde war, dass die Atmosphäre viel lockerer war und sich die Gespräche spontan ergaben. Die Berührungsängste waren abgebaut, es hatte sich teilweise eine Nähe aufgebaut, die Emotionen zuließ. „Werdet ihr wiederkommen?“ „Werden wir uns noch einmal sehen?“ Kleine Mädchen hielten die Hand oder den Arm eines Pfadfindermädchens fest und wollten gar nicht mehr loslassen. Das sind Beispiele, die belegen, dass es keines großen Aufwandes bedarf, Ängste abzubauen. Man muss nur offen sein und bereit, sich auf eine solche Begegnung einzulassen. Als die Zeit für einen Abschied näher rückte, machte sich auf beiden Seiten Wehmut breit. Jeder wusste, dass selbst bei einer Wiederholung eines solchen gemeinsamen Spieletages nicht sicher ist, dass man selbst noch dabei ist. Keiner der Flüchtlinge weiß, was die Zukunft für ihn bereithält.

 

Der Tag ist vorüber, die Erinnerung bleibt. Und sie ist wunderbar. Das empfinden alle Pfadfinder, die diesen Tag mit den Flüchtlingen erleben durften. Alle haben nicht nur ihre eigene Veränderung in der Einstellung zu den Menschen gespürt, die bei uns Zuflucht suchen, sondern auch die Dankbarkeit dieser Menschen für ein bisschen Zuwendung und Akzeptanz. Es ist beschlossene Sache, dass diese Aktion wiederholt werden soll, nein muss. Und hoffentlich ist sie Ansporn für viele andere, sich ebenso auf eine Begegnung einzulassen. Nur über Begegnung, aus der sich Verständnis füreinander und Wissen übereinander entwickelt, kann sich eine wahre Integration vollziehen.